Sachsen braucht die Antifa.

Die Antifa braucht Geld.

Im Kampf gegen Rechtsextremismus und Nationalismus können antifaschistische Gruppen nicht auf staatliche Unterstützung zählen. Deshalb verteilen wir um! Wir haben 10.000 € aus staatlichen Mitteln an Antifa-Gruppen weitergeleitet, indem wir ihnen zehn bedeutende Objekte des Antifaschismus abgekauft haben. Diese werden ab dem 15. August 2020 in den Sächsischen Kunstsammlungen Chemnitz in der Ausstellung Antifa – Mythos & Wahrheit gezeigt. Die Exponate zeigen die Vielfältigkeit antifaschistischen Widerstands, staatliche Repressionen gegen Antifa-Gruppen und mediale Vorverurteilung.

Das mediale Bild der Antifa als krawallmachende Steinewerfer*innen ist einseitig. Stereotype, die durch Parteien wie CDU, AfD und FDP, durch Sicherheitsbehörden und Geheimdienste und durch bürgerliche Medien wiederholt werden, um sie so in das kollektive Gedächtnis einzumeißeln. Mit seiner „Hufeisentheorie“ setzt der Politologe Eckhardt Jesse Links- und Rechtsextremis-mus als zwei Enden des politischen Spektrums gleich und rückt damit Antifa-Gruppen auf eine Ebene mit gewalttätigen Neonazis. Dieser Staatsräson folgend verkündet Sachsen weniger als einen Monat nach dem rechtsextremen Angriff auf eine Synagoge in Halle, die Gründung einer Sonderkommission „Linksextremismus“. Diese Gleichsetzung ist absurd, ja verheerend. Mag ja sein, dass auch in Sachsen mal ein Auto brennt: Es sind trotzdem immer Antifaschist*innen, die gegen alle nazistischen und rassistischen Bedrohungen die Idee von Demokratie und Grundrechten verteidigen.

Die Ausstellung „Antifa – Mythos & Wahrheit“ verschreibt sich der Vielseitigkeit antifaschistischer Arbeit. Zehn Objekte erzählen vom Kampf für Demokratie und Menschenrechte, vom Kampf gegen Neonazis und Rassismus und stellen der Herabwürdigung von Antifaschismus seine Vielfältigkeit und seine Schönheit entgegen.

Laut, expressiv, leise, kontinuierlich, spontan: Antifaschismus ist divers

Dass eine engagierte Bürgerin für das Übersprühen von Nazi-Graffitis im öffentlichen Raum mit zahlreichen Strafverfahren wegen Sachbeschädigung konfrontiert ist, erzählt die ausgestellte Spraydose von Irmela Mensah-Schramm – öffentlich bekannt als „Sprayer-Oma“. Dass die Sicherheitsbehörden nach den Morden und Sprengstoffanschlägen des Nationalsozialistischen Untergrunds alle Hinweise der Hinterbliebenen zu Nazi-Täter*innen nicht nur ignorierten, sondern gar ausschließlich gegen die Betroffenen selbst bis zu elf Jahre lang ermittelten, davon zeugt die dreiteilige Anklageschrift der drei NSU-Tribunale. Das ausgestellte Banner Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen stammt von der VVN-BdA, die 1947 von überlebenden NS-Verfolgten gegründete, älteste antifaschistische Organisation Deutschlands. Ihnen wurde aufgrund ihres politischen Engagements im letzten Jahr die Gemeinnützigkeit entzogen.

Doch wir erzählen die Geschichten auch anders: Die 74-jährige Irmela Mensah-Schramm übersprüht seit 30 Jahren rechte Graffitis und sagt Nazi-Hetze bundesweit den Kampf an. Im letzten Jahr wurde in Chemnitz und Zwickau das dritte NSU-Tribunal durchgeführt. Migrant:innen, Menschen of Color, Schwarze und Geflüchtete berichteten hier von ihren Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassimus und forderten gemeinsam mit allen anderen Anwesenden die postmigrantische Gesellschaft der Vielen ein. Der VVN-BdA kämpft nicht nur seit 63 Jahren gegen das erneute Erstarken des Neonazismus, sondern hält die warnenden Erinnerungen des Holocaust im kollektiven Gedächtnis wach. Jedes Ausstellungsobjekt, jede Geschichte erzählt von mutigem Engagement, vom Kampf gegen Rechts und gleichzeitig von staatlichen Repressionen, Diffamierungen und Strafverfolgungen.

Antifa – Mythos & Wahrheit zeugt von unserer Realität, in der sich viele Antifaschist*innen und Antirassist*innen täglich dem Rassismus und Neonazismus auf vielfältige Weise in den Weg stellen. Mal laut und expressiv, mal leise, kontinuierlich oder spontan. Diese Diversität ist das wahre Gesicht des Antifaschismus!

Antifaschismus steht weltweit unter Druck

Weltweit wird Antifaschismus durch das Erstarken von völkisch-populistischer Bewegungen unter Druck gesetzt. US-Präsident Donald Trump erklärt die Antifa zur Terrororganisation. Auch dagegen bekennt sich die SPD- Parteivorsitzende Saskia Esken offen zur Antifa und sorgt damit für „Unfassbarkeit“ bei CDU/CSU und für einen Aufschrei in den deutschen Medien. Dabei ist der Kampf gegen Rassismus und völkischen Nationalismus, besonders in Sachsen, heute notwendiger denn je. Das gewiefte und weitgehend unkontrollierte Operieren des sächsischen Verfassungsschutzes im NSU-Komplex, Rechtsextreme im LKA und in der Polizei oder der „Nazi-oder-wie-soll-man-ihn-denn-sonst-nennen“-Richter Jens Maier (Joschka Fischer) im Dresdner Landgericht offenbaren den Rassismus auf allen institutionellen Ebenen. Pegida und Pro Chemnitz tragen ihn auf die Straßen und die AfD bringt ihn mit einem Wahlergebnis von 27,5 % in die parlamentarische Politik.

Für Migrant*innen, People of Color, Schwarze Menschen, queere Menschen, Geflüchtete oder Angehörige der linken Subkultur ist es ein täglicher Kampf, in Sachsen zu leben. Kein anderes Bundesland gerät so oft in die Schlagzeilen durch rassistische Gewalt: Clausnitz, Heidenau, Freital, Bautzen, Meißen, Freiberg, Meerane, Löbau, Chemnitz. Tätliche Angriffe auf Menschen, Brandanschläge auf Unterkünfte, kurdische oder jüdische Lokale (2018, Chemnitz, türkisches Restaurant Mangal und jüdisches Restaurant Schalom), die Errichtung von „National befreiten Zonen“. Immer wieder organisieren sich rechtsextreme Terrorvereinigungen wie Revolution Chemnitz, Gruppe Freital und auch der Nationalsozialistische Untergrund, dessen „Netzwerk aus Kamerad*innen“ (Selbstzitat) auch heute noch, unbehelligt durch die herrschende Politik, fortlebt.

Öffentliche Gelder für antifaschistische und antirassistische Arbeit und Engagement sind in Zeiten von rechtsterroristischen Mordanschlägen wie in Hanau und Halle, der Ermordung von Walter Lübcke, der Polizeigruppe NSU 2.0, immer neuen Fällen von rechtsextremen Polizist*innen und Soldat*innen, in Zeiten von Kleinststrafen für rechtsextreme Täter*innen und Planer*innen von Anschlägen wichtiger denn je!

Alerta, Alerta Antifascista!
Yalla, Yalla Migrantifa!