Einkaufswagen

Leipzig, 2020, Aluminium und Pappe, Künstler*in unbekannt (Nachbau)

Bilder des brennenden Einkaufswagens gingen als Symbol für die Eskalation der Connewitzer Silvesternacht durch die deutsche Medienlandschaft und lösten eine bundesweite Diskussion über linksextreme Gewalt aus. Die Pressemitteilungen der Leipziger Polizei zeichneten das Bild einer außer Kontrolle geratenen militanten linken Szene. Viele Zeitungen übernahmen die Meldung: »Chaoten wollten Polizisten töten«, titelte etwa das Nachrichtenportal TAG24. »Ärzte retteten dem Mann durch eine Not-OP das Leben«, schrieb die BILD. Politiker*innen aller Parteien zeigten sich entsetzt über die Eskalation. Bundesinnenminister Seehofer sprach von “menschenverachtender Gewalt”, der sächsische Ministerpräsident von “linkem Terror” und Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, warnte sogar vor einer neuen RAF.

Aber all die Empörung fußte auf einer bröckeligen Beweislage. Es tauchten Videos auf, die zentrale Aspekte der Darstellungen der Polizei widerlegten: weder wurde der brennende Einkaufswagen in die Polizeieinheit geschoben, noch wurden den Beamt*innen die Helme vom Kopf gerissen. Das Krankenhaus widersprach ebenfalls: Der angeblich lebensgefährlich verletzte und notoperierte Beamte, erhielt lediglich einen kleineren Eingriff unter lokaler Betäubung.

Doch zu diesem Zeitpunkt hatten die Zeitungen bereits mit reißerischen Schlagzeilen ihre Urteile gefällt und Politiker*innen die Gelegenheit genutzt, sich mit markigen Sprüchen zu profilieren. Die Debatte über die (verfehlte) Einsatz- und Deeskalationsstrategie der Polizei wurde durch die Reproduktion einer militanten linksradikalen Szene verhindert.

Da die Urheber*innen des Einkaufswagen unbekannt sind, haben wir die 1.000 € an das Dokumentationsprojekt Chronik LE weitergeleitet. Chronik LE dokumentiert faschistische, rassistische und diskriminierende Ereignisse in und um Leipzig.